Pierre Maurer: Laudatio anlässlich der Vernissage im «Le Caveau», St-Ursanne am 6. April 2019

 

Peter Sand wurde 1951 in St. Gallen geboren. Zwei Hauptelemente prägen seine Person und seinen künstlerischen Ansatz. Zum einen ist es die Tatsache, dass er an der an der Hochschule für Gestaltung in Zürich eine fundierte Weiterbildung zum Designer und Typographen erhielt. In den 80er und 90er Jahren, als freischaffender Grafiker und Polygraph, konnte Peter Sand diese Fertigkeiten vertiefen, die er dann auch für andere Kunstformen wie Fotografie und Malerei einsetzen konnte. Zum anderen ermöglichen die Erfahrungen, die er auch im Bereich der digitalen Medien machte, dass Peter Sand die professionnellen Voraussetzungen für die verschiedensten künstlerischen Disziplinen mitbringt.

 

Neben einer umfangreichen technischen Ausbildung in vielen Kunstformen und einer langjährigen künstlerischen Berufspraxis – was nicht für alle Künstler die Regel ist – ist die andere Dimension, die Peter Sand und seine Marke auszeichnet, die Tatsache, dass er ein Vertreter der Hippiebewegung und der amerikanischen Untergrundkultur ist. Die Musik von Jimmy Hendrix, King Crimson und Pink Floyd sowie Literatur wie Castanedas «Don Juan» sind Teil seiner Welt die ihn inspiriert hat. Tatsächlich war Peter Sand in seinen Zürcher Jahren, die von der 68er Bewegung geprägt waren, die die politische und künstlerische Szene auch in der Schweiz veränderten, stark von der amerikanischen Untergrundkultur beeinflusst. Das Schaffen aus seiner Zeit an der Ostküste der USA ist in der Tat durch das Siegel der Pop-Art und des kritischen Comics geprägt, das in den 60er und 70er Jahren seinen Höhepunkt erreicht hatte. Dieser Einfluss bestimmt nachhaltig sein Denken und sein künstlerisches Schaffen bis heute.

 

Diese Kombination, die fundierte technische Schulung, mit künstlerischer Disziplinen und dem Einfluss zeitgenössischer Kunst verbindet, geprägt von Brüchen, dem Farbenspiel und technologischen Innovationen, bilden die Grundlage von Peter Sands kreativer Arbeit und sein "Markenzeichen". "Expressionistische Fotografie" ist das direkte Ergebnis dieser einzigartigen Entwicklung.

 

Der Begriff der "Expressionistischen Fotografie" drückt einen offensichtlichen Widerspruch aus, kombiniert gar unvereinbare Gegensätze. Tatsächlich bildet das Foto die Realität getreu ab, zeigt die Realität und bildet Objekte in ihrer Existenz und nicht in ihrem Wesen ab. Der Expressionismus ist das Gegenteil: Die Realität wird zugunsten des Ausdrucks verzerrt und die Intensität des Ausdrucks wird vom Künstler subjektiv begünstigt. Es ist die Kunst der Emotion, die Gefühle ausdrückt, indem sie eine verzerrte Ansicht der Realität vorschlägt, das genaue Gegenteil von dem, was die Fotografie produziert.

 

Ich erinnere daran, dass der Expressionismus eine künstlerische Bewegung ist, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Deutschland entstand, und sich dann vor allem im Deutschen und im Skandinavischen Raum etabliert hat.

 

Jeder kennt Edward Munchs berühmtes Gemälde mit dem Titel "Der Schrei", das den Expressionismus symbolisiert. Andere bekannte Maler, wie Ernst Ludwig Kirchner, auch Paul Klee, werden zu den Vertretern dieser Stilrichtung gezählt. In den fünfziger Jahren entwickelte sich der Abstrakte Expressionismus in den Vereinigten Staaten, mit Jackson Pollock als wichtigsten Vertreter.

 

Neben der Malerei werden viele Bereiche der Kunst durch den Expressionismus "infiltriert", wie Literatur, Musik, Filme von Fritz Lang oder Architektur. Nur die Fotografie war bisher noch nicht davon betroffen.

 

Es ist diese Lücke, die Peter Sand schliesst, indem er Subjektivität in seine Fotos einführt und eine Welt schafft, die über die von der Kamera erfasste Realität hinausgeht.

 

Die Einführung einer expressionistischen Dimension stellt eine echte Innovation in der Kunst der Fotografie und der Kunst allgemein dar. Kunsthistoriker sollten sich die Arbeiten von Peter Sand ansehen und entsprechend würdigen.

 

Peter Sand sollte diesen Weg weiter verfolgen, ihn vertiefen, um der "Expressionistischen Fotografie" mehr Gewicht zu geben, ihre Glaubwürdigkeit zu manifestieren, und zu beweisen, dass es hier nicht nur um ein Wortspiel geht.

 

Er ist allerdings bescheiden und zeigt nicht unbedingt grosse Ambitionen in diese Richtung. Er sagt, «ich findet meine Inspiration bei Spaziergängen in der Natur».

 

In diesen Werken von Peter Sand sehen wir eine große Neuerung, die sich auf eine künstlerische Bewegung bezieht, die auf eine mehr als hundert Jahre alte Tradition zurückblickt. – Und durch eine Weiterentwicklung in der Kunst der Fotografie einen neuen Ausdruck findet, den man bisher noch nicht gesehen hat.

 

 

Dr. Pierre Maurer, Galerist und eidg. Diplomat